„Es gibt zwei Wege, um etwas zu verändern.“ Tom und Ronni wollen alles über Martin Luther herausfinden (4/4)

Horst Heller (CC BY)
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Was Tom und Ronni uns schon erzählt haben:
Den Reichstag hatte Martin Luther am 26. April verlassen. Aber er musste, bevor er nach Wittenberg zurückkehren konnte, viele Monate auf der Wartburg bleiben. Viele Menschen in Deutschland fanden gut, was Martin sagte und schrieb.

Auch Tom und Ronni sind Luther-Fans geworden. Aber eins verstehen die beiden nicht. Warum fanden nicht alle Menschen Luther cool? Er entdeckte doch, dass er sich vor Gott nicht ängstigen musste, er stand mutig vor dem Kaiser und ließ sich nicht einschüchtern. Er übersetzte der Bibel ins Deutsche. Warum wurden denn nicht alle zu seinen Anhängern? Hier sind die Gründe, die sie herausgefunden haben. (Das war aber nicht leicht für die beiden.)

Martins Anhänger nannten sich nun Evangelische. Aber es gab auch Menschen wie seinen Freund Johann. Er fand viele seiner Ansichten gut, wollte aber trotzdem katholisch bleiben. Warum?

Die Landesherren, die Luthers Reformen ablehnten, machten ihren Untertanen eine Zustimmung zur Reformation unmöglich. Eine freie Entscheidung, Luthers Lehre betreffend, gab es also nicht. Doch auch im kirchlichen und im wissenschaftlichen Diskurs des 16. Jahrhunderts gab es Gründe, Luther nicht zu folgen. Der Grund ist in seiner maßloser Kritik am Papsttum, seiner Abendmahlstheologie und seiner Eheschließung zu suchen. Johann von Staupitz, Luthers früherer Beichtvater und Mentor seiner Erfurter Klosterjahre, war schon 1524 in Salzburg verstorben. Seine Verdienste um Luthers reformatorische Entdeckung können denooch kaum überschätzt werden (Schilling S. 85). Er stand zeitlebens für einen reformbereiten Katholizismus, der aber nicht lutherisch werden konnte.

Martin wollte dem Papst nicht gehorchen. Der Papst ist überflüssig, meinte er. Johann aber sagte: „Der Papst ist wichtig für meinen Glauben. Er vertritt Jesus in der Welt. Und er kann helfen, wenn sich Christen streiten.“ Es gab noch einen zweiten Streitpunkt. Das war das heilige Brot. Das hielt Martin nicht für überflüssig, aber er dachte anders darüber als Johann. Wie genau, das ist ziemlich kompliziert.

Tom und Ronni haben herausgefunden, dass die Evangelischen und die Katholischen das heilige Brot bis heute nicht zusammen essen. Warum ist das so? Die Lehrerinnen der beiden Jungen wussten es auch nicht. Sie haben niemanden gefunden, der ihnen das erklären konnte. Jetzt fragen sie sich, ob es überhaupt einen Grund dafür gibt.

Johann waren auch die Heiligen wichtig. Er sagte: „Heilige sind Menschen, die besonders christlich gelebt haben. Sie sind für mich ein Vorbild. Ich bitte sie auch, mir zu helfen.“ Luther hatte nichts gegen die Heiligen, aber sie waren ihm nicht genauso wichtig. In den evangelischen Kirchen fanden sich mit der Zeit kaum noch Bilder oder Statuen von Heiligen. Viele hielten also am alten Glauben fest. Das waren die Katholischen. Andere nahmen den evangelischen Glauben an. Später wurde daraus die Evangelische Kirche.

Martin lehrte noch viele Jahre an der Universität und predigte ein Leben lang fast jeden Sonntag. Er heiratete Katharina und gründete mit ihr eine Familie. Martins und Katharinas ältester Sohn hieß Hans wie Martins Vater, die jüngste Tochter nannten sie Margarete wie seine Mutter. Auch das fand Johann nicht gut. Ein Priester, so sagte er, darf nicht heiraten und eine Familie gründen.

Johann und viele andere Katholische wollten nicht bei Martins neuer Bewegung mitmachen, aber trotzdem vieles in ihrer eigenen Kirche verbessern. Bischöfe und Päpste kamen viele Male zusammen und beschlossen Änderungen. So bewirkte Martin Luthers Reformation, dass sich auch in der katholischen Kirche manches wandelte.

Zum Schluss betrachten Tom und Ronni einen Bildband. Ein großes Gemälde fällt ihnen auf. Der Maler lebte in Martins Zeit und in seiner Stadt. Sein Bild zeigt, wie Martin Luther auf der Kanzel eine Predigt hält. Dabei deutet er mit dem Finger darauf, worüber er predigt. Ja, man sieht genau, worüber er spricht! Martin wollte also nicht, dass die Menschen ihn verehrten. Das kann man an diesem Bild gut erkennen.

Das Bild des Malers Lucas Cranach (vor der Wand, mit weißem Bart) aus der Marienkirche in Wittenberg zeigt, was Martin Luthers zentrales Anliegen war. Der Reformator, auf der Kanzel stehend, predigt über den gekreuzigten Christus. In der ersten Reihe steht sein Söhnchen Hans (in roter Kleidung), Katharina von Bora hält seinen Arm. Die weiteren Zuhörerinnen und Zuhörer sind Prominente und Ratsherren aus Wittenberg.

Tom und Ronni haben nicht nur Neues über Martin Luther gelernt. Sie wissen jetzt auch, dass es zwei Wege gibt, wenn man etwas verändern möchte. Man kann das Bestehende verbessern oder mit etwas ganz Neuem beginnen. Da es jetzt schon zwei Kirchtürme in ihrer Stadt gibt, hoffen sie, dass sich die Katholischen und die Evangelischen gut überlegen, wie sich wandeln können, damit die Menschen mit ihren Fragen nach Gott wieder gerne zu ihnen kommen.

Literatur:
Heinz Schilling, Martin Luther, Rebell in einer Zeit des Umbruchs. Eine Biographie. München 2012

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