„Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Tom und Ronni wollen alles über Martin Luther herausfinden. (3/4)

Horst Heller (CC BY)
Dieser Blogbeitrag als PDF

Im Jahr 2021 jährt sich der Wormser Reichstag zum 500. Mal. Wäre nicht auch über die reformatorische Bewegung eines gewissen Martin Luther debattiert worden, würden wir von diesem Jahrestag kaum Notiz nehmen. In den Jahren, die auf dieses Ereignis folgten wurde aus dem Wittenberger Mönch, Pfarrer und Professor der wichtigste Reformator der Kirche und aus seinen Anhängern die evangelische Kirche. Sein Todestag am 18.02.1546, und das Jubiläum des Reichstags sind der Anlass, sich an seine Geschichte zu erinnern. Tom und Ronni haben versucht alles über Martin Luther herauszufinden. Hier ist Teil 3 ihrer Geschichte:

Was sie uns schon erzählt haben:
Im Kloster verlor Martin endlich seine Angst. Nun fand er überall in der Bibel Geschichten, Gedichte und Lieder, die erzählten, dass Gott wie ein gütiger Vater zu den Menschen ist. Das und vieles mehr erklärte er auch seinen Studenten auf der Universität in Wittenberg. Er war nämlich von Kurfürst Friedrich zum Bibel-Professor berufen worden. Außerdem fand er, dass sich die Kirche verändern müsse. Er schrieb das in 95 Sätzen auf, die schnell in ganz Deutschland bekannt wurden.

Jetzt war Martin plötzlich in ganz Deutschland bekannt. Überall nannte man seine Sätze die 95 Thesen. Aber der Kaiser, der Papst, die Bischöfe und viele Fürsten waren nicht einverstanden. Sie verlangten, dass Martin seine Thesen zurücknahm. Er sollte nach Worms kommen. Dort wollte man mit ihm diskutieren.

Die Gespräche mit Mitgliedern seines Ordens, mit Abgesandten des Papstes, mit Johannes Eck (Wer war Johannes Eck?) und weitere Zwischenstationen werden hier ausgelassen. In diesen Disputationen und Verhören ging es in der Regel um seine Thesen, während die Verhandlung vor dem Reichstag in Worms (Januar bis Mai 1521, über die „Sache Luthers“ wurde vor allem im April verhandelt) alle seine Veröffentlichungen zum Gegenstand machte.

Martin reiste also nach Worms. Ein wenig fürchtete er sich. Man hatte ihm aber versprochen, dass er nicht verhaftet würde. Am 2. April verließ er Wittenberg mit einer Kutsche. Unterwegs machte er immer wieder Station und predigte in den Kirchen. Es war ein Dienstag, als er am 16. April in Worms eintraf. Am Stadttor wurde er abgeholt und zu seinem Quartier gebracht. Die ganze Stadt war auf den Beinen, denn alle hatten von ihm gehört. Viele jubelten ihm zu. Trotzdem ging es Martin gar nicht gut, er hatte furchtbare Bauchschmerzen, aber von seinem Pferdewagen winkte er den Menschen tapfer auf der Straße zu.

Luther übernachtete im Johanniterhof, den es heute nicht mehr gibt. An seinen Aufenthalt in der Wormser Altstadt erinnert heute eine Gedenktafel.

Schon am nächsten Tag wurde er in den großen Saal gerufen. Er trug seinen Professorenmantel. Vor ihm saßen Fürsten, Bürgermeister, Bischöfe und – etwas erhöht – der junge Kaiser Karl. Der Raum war gefüllt. Er konnte sehen, dass ein paar seiner Bücher bereit lagen und erwartete ein paar Fragen zu dem, was er da geschrieben hatte. Doch die Fürsten und der Kaiser verlangten, dass er sich für alles entschuldigte, was er geschrieben hatte. Martin musste überlegen. Könnten meine Bücher Fehler enthalten? Vielleicht schon. Aber er konnte doch nicht alles zurücknehmen! Er war verzagt, sprach nur leise und bat um einen Tag Bedenkzeit. Er durfte den Saal wieder verlassen.

Martin Luther wird befragt. Im Hintergrund sitzen die Bischöfe (links in rot), die Fürsten (rechts, der bärtige Mann ganz rechts in Kurfürst Friedrich) und in der Mitte der erst 21-jähige Kaiser Karl.

Am nächsten Tag wurde er wieder hereingeleitet. Jetzt war er nicht mehr unsicher. „Die Bischöfe“, so sagte er, „haben sich schon oft geirrt, für mich zählt nur die Bibel. Wenn in meinen Büchern ein Irrtum enthalten ist, dann beweist es mir aus der Bibel. Solange kann und mag ich nicht widerrufen.“ Seine Rede war jetzt gut verständlich und wurde Wort für Wort mitgeschrieben.

Dann durfte er den Saal verlassen. Der Kaiser, die Fürsten und die Bischöfe wollten sich beraten. Bald schon darauf wusste die ganze Stadt, dass Martin nicht widerrufen hatte. „Ich stehe hier, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“, so stand es in Flugblättern, die in Worms verteilt wurden.

„Hier stehe ich nun, ich kann nicht anders.“ Der Satz illustriert treffend Luthers Intention, als einer durch sein Gewissen Gefangener nicht einlenken zu können. Er war aber in der ursprünglichen Rede Luthers nicht enthalten. Luthers Parteigänger war es aber gelungen, an das Redemanuskript zu kommen. Sie ergänzten das Manuskript um den wirkungsvollen Zusatz, gaben es einem städtischen Drucker und verteilten die redigierte Rede als Flugschrift in der Stadt (Schilling S. 223).

Die Fürsten und Bürgermeister berieten ausführlich und fragten in den nächsten Tagen noch zweimal bei Martin an, ob er sich nicht doch noch besinnen wollte. Aber er blieb bei dem, was er gesagt hatte. Am nächsten Montag, es war der 26. April, durfte er abreisen. Sein Ziel war Möhra in Thüringen, dort wollte er Verwandte besuchen. Er blieb einige Tage bei ihnen, um sich zu erholen. Eine Woche später, am 4. Mai, stieg er in eine Kutsche und wollte nach Wittenberg heimkehren. Aber da kam er nicht an.

In Worms war nämlich auch der Kurfürst Friedrich anwesend, der Martin einst an seine Universität berufen hatte. Als der Kaiser den Fürsten mitteilte, dass er Martin verurteilen und bestrafen wollte, machte er sich Sorgen. Das Urteil war zwar noch nicht gesprochen, aber Friedrich wollte, dass Martin auf seiner Rückreise nichts Schlimmes zustoßen konnte. Er beschloss, Soldaten zu schicken, die ihn als Räuber verkleidet entführen sollten. Er hatte eine Burg für ihn ausgesucht. Auf den Burghauptmann konnte er sich verlassen.

Martin war erst wenige Kilometer gereist, da wurde seine Kutsche tatsächlich überfallen. Luther merkte, dass die Männer ihm nichts Böses antun, sondern ihn in Sicherheit bringen wollten. Sie ritten mit ihm auf die nahegelegene Wartburg, die man heute noch besichtigen kann. Als er und seine Begleiter spät in der Nacht durch das Burgtor ritten, ahnte keiner der Bewohner der Burg, wer da eintraf. Er bekam eine Schlafkammer und ein Studierzimmer. Damit ihn niemand erkannte, ließ er sich die Haare und einen Bart wachsen. Auch einen neuen Namen legte er sich zu. Von nun an nannte er sich Jörg. In Deutschland waren viele Menschen traurig. Der berühmte Mönch und Professor war verschwunden. War er verunglückt?

Nein, er war in Sicherheit. Aber glücklich war er nicht. Seine Studenten und seine Kollegen fehlten ihm sehr. Er schrieb viel. Zum Glück hatte er eine Bibel dabei. Und so begann er in seinem Studierzimmer, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen.

Ronni zeigt Tom eine Bibel, die er aus dem Regal geholt hat. Und tatsächlich: Auf der Bibel steht große der Name MARTIN LUTHER. Es ist eine Lutherbibel.

Die Übersetzung des Neuen Testaments in die deutsche Sprache ist für Kinder überaus wichtig. Denn lägen die biblischen Geschichte, die sie gerne hören, nur in lateinischer Sprache vor, könnten sie sich im Religionsunterricht nicht an ihnen erfreuen. Die Hochschätzung der Bibel kommt also auch ihnen zugute. Darüber hinaus begegnen sie mit der Lutherbibel einem Stück Wirkungsgeschichte der Reformation in ihrer Lebenswelt: Sie kennen möglicherweise schon eine Martin-Luther-Kirche oder -Straße. Nun entdecken den Namen des Reformators auf der Umschlagsseite der Bibel.

Den ganzen Sommer, den Herbst und den Winter musste Martin auf der Burg bleiben. Doch als es Frühling wurde, kehrte er nach Wittenberg zurück. Dort waren alle auf seiner Seite und jubelten ihm zu, als er eintraf.

Literatur:
Heinz Schilling, Martin Luther, Rebell in einer Zeit des Umbruchs. Eine Biographie. München 2012

Blogbeiträge auf www.horstheller.de zum Thema Martin Luther
31.01.2021: „Heilige Anna, hilf mir! Ich will ein Mönch werden.“ Tom und Ronni wollen alles über Martin Luther herausfinden (1/4)
14.02.2021: Die 95 Sätze, die Martin weltbekannt machten. Tom und Ronni wollen alles über Martin Luther herausfinden (2/4)
16.04.2021: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Tom und Ronni wollen alles über Martin Luther herausfinden (3/4)
13.06.2021: „Es gibt zwei Wege, um etwas zu verändern.“ Tom und Ronni wollen alles über Martin Luther herausfinden (4/4)

Weitere Blogbeiträge zum Thema auf www. horstheller.de
15.07.2019: Wer war Johannes Eck? Eine Erinnerung
25.10.2019: Wibrandis Rosenblatt, oder der lange übersehene Anteil der Frauen an der Reformation
27.10.2019: Ecclesia semper reformanda: Eine überraschende Entdeckung – und warum mir dieses Motto dennoch gefällt
16.02.2020: Alles Luther oder was? Fünf Gründe, den Wittenberger Reformator nicht zu verehren, fünf Gründe es doch zu tun.
05.04.2020: Dietrich Bonhoeffer: Warum wir ihn nicht der neuen Rechten überlassen dürfen
02.07.2020: Konfessionalität: Warum der Religionsunterricht auch in Zeiten der Pandemie konfessionell sein muss. Was das bedeutet – und was das nicht bedeutet
20.09.2020: Wie Theater im Fernsehen. Ein Dialog zweier Pfarrer zu digitalen und Präsenzgottesdiensten und kirchlicher Medienkompetenz in der Pandemie.
14.03.2021: Im Namen der Barmherzigkeit. Hans Küng sollte die Missio Canonica zurückerhalten. Ein Appell
04.04.2021: Vater und Sohn. Wie Erich Ohser der Diktatur listig die Stirn bot und den Kampf dennoch tragisch verlor
22.09.2019: Will Gott, dass wir an ihn glauben. Die Gottesfrage und die Bielefeld-Verschwörung
19.01.2020:
Der Zorn des Propheten. Eine Anklage, Michelangelos Jona in den Mund gelegt, und eine Erkenntnis, die er gewinnt.
14.03.2020:
Für mich hätte er nicht sterben müssen.“ Gedanken zur Passion Jesu aus religionspädagogischer Sicht
25.08.2020:
Warum wir auf das Wort Mission verzichten sollten
05.10.2020:
Fünf Dinge, die sich Religionslehrerinnen und Religionslehrer vom Ethikunterricht wünschen
01.11.2020:
Die Suche nach Gott – oder: Wer von uns beiden ist weise?
03.01.2021:
Josef und seine Brüder. Warum uns die Geschichte von Josef und seinen Brüdern bis heute anrührt und was wir von ihr lernen können.
18.04.2021: „Ich glaube nicht an Wunder, aber mir sind schon einige widerfahren. Ein Plädoyer für eine aufmerksame Spurensuche
04.07.2021: Auf der Bewahrung des Status quo liegt kein Segen. Sechs Gründe für die konfessionelle Kooperation als Normalfall des Religionsunterrichts
16.07.2021: Maria Magdalena. Ihre Rehabilitierung ist überfällig