„Warum dienst du nicht dem Herrn?“ Als Franziskus merkte, dass der mächtige Papst nur ein Knecht war.

Franziskus kehrt zurück. Ein Reiterstandbild von Norberto Proietti vor der Basilica Superiore di San Francesco d’Assisi (2005)

Welch ein trauriger Anblick! Der Reiter senkt den Kopf, als warte er auf seine Hinrichtung. Mit einem Freund wollte er sich ganz im Süden der italienischen Halbinsel den Truppen des Papstes anschließen und gegen die Staufer kämpfen. Nach einigen Monaten wollte er siegreich und ehrenvoll zurückkehren und seinen Freunden und den Mädchen der Stadt stolz von dem aufregenden Leben auf dem Rücken der Pferde zu erzählen. Sie würden ihn rühmen und beneiden. Sein Vater, ein reicher Kaufmann, hatte sich erhofft, dass auch seine Familie vom Ruhm des Sohnes profitieren könnte. Darum hatte er ihm ein Pferd und eine Ritterrüstung gekauft. Gestern war er fröhlich ausgezogen, heute schon ist er zurück. Allein, verwirrt und mit Tränen in den Augen reitet er durch die Straßen seiner Stadt. Work und Travel ist beendet, bevor es begonnen hat. Was war geschehen?

Am Vortag war die ganze Stadt früh auf den Beinen gewesen. Fröhlich und hoch zu Ross hatten er und ein junger Ritter die Stadt verlassen. Junge Männer hatten die beiden Abenteurer einige Stunden lang begleitet. Nachdem diese ihre Pferde gewendet hatten um umzukehren, waren er und sein Begleiter allein. Sie folgten der Straße durch das Tal, den umbrischen Apennin im Osten als Orientierung immer im Blick. Sie ritten vorbei an Spello, durchquerten Foligno und machten eine Pause in Trevi. Am Abend erreichten sie Spoleto. Sie fanden ein Nachtlager und legten sich schlafen.

Spoleto mit dem Dom und dem erzbischöflichen Palast

In der Nacht hörte der junge Mann im Traum eine Stimme:

  • „Wohin willst du reisen?“
  • „In den Kampf nach Apulien.“
  • „Wem willst du dienen? Willst du dem Herrn dienen oder dem Knecht?“
  • „Dem Herrn.“
  • „Warum dienst du dann dem Knecht?“

Er wachte auf. Wessen Stimme hat er da gehört? Und was bedeuteten ihre Worte? Sie hatte ihm ein Rätsel aufgegeben. Papst Innozenz, dem er diente, war vielleicht der mächtigste Herrscher seiner Zeit und der Stellvertreters Christi auf Erden. Hatte ihn die Stimme dennoch einen Knecht genannt? Das konnte nur bedeuten, dass der Waffengang im Namen die Kirche dem wahren Herrn der Kirche nicht gefiel.

Damit hatte er den Schlüssel gefunden. Doch die Lösung des Rätsels schmerzte. Es war falsch, in den Krieg zu ziehen. Es war verkehrt, als Soldat Ruhm und Anerkennung zu suchen. Er war dem Knecht gefolgt. Er musste diesen Fehler korrigieren. Aber was bedeutete es, von nun an dem Herrn zu dienen? Er wusste es nicht. Ratlos stand er auf und zog sich an. Er sattelte sein Pferd und verabschiedete sich von seinem verdutzten Freund. Dann brach er auf. Er ritt nach Norden, zurück nach Assisi.

Franziskus brauchte noch Jahre, um seine Bestimmung zu finden. Aber den ersten Schritt hatte er in der Herberge in Spoleto gemacht. Die erste Erkenntnis hatte er hier gewonnen. Krieg ist kein Abenteuer. Krieg ist vielleicht sehr selten eine traurige Notwendigkeit. Aber er ist nie ein Gottesdienst.

Das war im 13. Jahrhundert so. Und es ist heute nicht anders.

Basilica di San Francesco d’Assisi

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