
„Wenn ein Neapolitaner glücklich ist, egal aus welchem Grund, zahlt er statt den einen Caffè, den er selbst trinken möchte, zwei: Einen für sich und einen für den Gast, der nach ihm kommt. Das ist, als würde er ihn dem Rest der Welt anbieten.“
Der Caffè im Stehen in der Bar gehört in Italien fast zu den Menschenrechten. Er kostet eine Minute, ihn zu bereiten, eine Minute, ihn zu trinken und einen Euro, um ihn zu bezahlen.
In Napoli ist es bis heute in der Weihnachtszeit Tradition, einem Armen einen Kaffee im Voraus zu bezahlen. Der Name des Spenders wird auf einer Tafel festgehalten. Kommt ein Bedürftiger vorbei, trinkt er den Caffè, den ein unbekannter Spender bezahlt hat. Dem Geber tut die Spende nicht weh, der Empfänger muss sich nicht bedanken; er wüsste ja auch nicht bei wem. Dieser Brauch entstand in einer Zeit, in dem Arme eine 500 Lire Münze zweimal umdrehen mussten. Heute er ist ein Bild dafür, dass unser Gemeinwesen einen Zusammenhalt braucht und dass sich eine Haltung der Zugewandtheit auch in Kleinem zeigt.
So habe ich im Café Napoli auch einen Caffè Sospeso bezahlt.



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