Die Gute-Laune-Sinfonie zwischen den Titanen – Beethovens Achte

Die F-Dur Sinfonie, die unscheinbar zwischen den Giganten der Fünften, der Sechsten, der Siebten und der Neunten steht, ist zu Unrecht relativ unbekannt geblieben. Beethoven fand sie selbst besser als seine Siebte und ärgerte sich, dass die Kritik das anders sah. Auch bei der Uraufführung am 27. Februar 1814 blieb die Begeisterung aus.

Hatten die Konzertbesucher die Beethoven’schen Neuerungen satt, mit denen der Maestro sie regelmäßig herausforderte? Die 8. Sinfonie enthielt statt eines langsamen zweiten Satzes ein Allegretto Scherzando und verwendete eigentümliche Kompositionsmittel. Gewöhnungsbefürftig war auch der Schluss der Sinfonie: Der Schlussakkord erklang fast 40 mal, dann zitieren Holzbläser und Streicher im Wechsel noch einmal eines der Gute-Laune-Themen der Sinfonie, um das Werk mit weiteren 30 wuchtigen Orchesterschlägen abzuschließen.

Oder war es umgekehrt? War dem Publikum die F-Dur Sinfonie zu kurz, zu einfach, zu wenig dramatisch? Was die Aufführungsdauer angeht, kehrte Beethoven wieder zu den Dimensionen seiner 1. Sinfonie zurück. Die Spieldauer der Achten betrug keine halbe Stunde.

Fast scheint es, als hätte Beethoven mit dieser Sinfonie tief Luft geholt. Bis zu seiner nächsten, der berühmten Neunten mit der Ode an die Freude sollten noch einmal 10 Jahre vergehen. Dieses sein letztes großes sinfonisches Werk würde dann weder zu kurz, noch zu einfach, noch zu wenig dramtisch ausfallen …

Meine Lieblingsstelle der 8. Sinfonie
ist das zweite und das dritte Thema des 1. Satzes. Ein besonderes „Ohrenmerk“ verdienen die Ritardandi.

Das West-Eastern Divan Orchestra unter der Leitung von Daniel Barenboim

Quoting Beethoven – Was der Komponist schreibt (in diesem Fall: schreiben lässt, weil der der englischen Sprache nicht mächtig ist):
Johann von Häring, ein Geschäftsmann mit guten Kontakten nach Großbritannien, schreibt zwischen dem 16. und 19. März auf Beethovens Bitte und in seiner Anwesenheit an George Thomas Smart in London, weil der Komponist seit langer Zeit vergeblich auf eine Antwort des königlichen Hofs wartete. Er hatte eines seiner Werke dem Prinzregenten George gewidmet. Dieser hatte aber nicht geantwortet. Beethoven möchte weitere Werke in London veröffentlichen, darunter auch seine 8. Sinfonie.
Er kann den Brief nicht selbst schreiben. Da er aber auch völlig taub ist, kann er sich auch die deutsche Übersetzung der englischen Fassung seines Briefes nicht vorlesen lassen. So finden sich in dem Schreiben, das ansonsten ganz im Sinne des Komponisten abgefasst ist, einige Zeilen, die ihm wohl nicht recht gewesen wären: He talks continually of going to England, but I am afraid that his deafness, seemingly encreasing, does not allow him the execution of this favorite idea. (Quelle)

Beethoven 8 mal anders

Eine Bearbeitung der Sinfonie für Klavier von Franz Liszt, vorgetragen von Cyprien Katsaris

Literatur:
Eleonore Büning, Sprechen wir über Beethoven. Ein Musikverführer, Salzburg und München 2018
Michael Ladenberger (Hg), Beethoven zum Vergnügen. Ditzingen 2020

Mein Beethovenjahr auf www.horstheller.de
01.03.2020: The King’s Speech und die Sprechhemmungen des Königs: Beethovens Siebte – Mein Beethovenjahr 1/12
29.03.2020: Die Sinfonie, die mit einem Dominantseptakkord beginnt. Beethovens Erste – eine charmante Provokateurin – Mein Beethovenjahr 2/12
24.05.2020: Tonmalerei galt als Todsünde des Komponierens. Beethoven war das egal. Für Götter galten solche Regeln nicht. Beethovens Sechste, die Pastorale – Mein Beethovenjahr 3/12
28.06.2020: Die Gute-Laune-Sinfonie zwischen den Titanen: Beethovens Achte – Mein Beethovenjahr 4/12
23.08.2020: Die „Sinfonia grande“, auf deren Deckblatt jemand heftig radiert haben muss: Beethovens Eroica – Mein Beethovenjahr 5/12
16.09.2020: „Noch 10 Minuten, dann sind wir fertig.“ Das Beethoven-Portrait Joseph Stielers wirkt bis heute nach. Mein Beethovenjahr 6/12
04.10.2020: Freude schöner Götterfunken: Bis 1990 verlief die innerdeutsche Grenze genau bei Takt 697 der Ode an die Freude. Beethovens Neunte – Mein Beethovenjahr 7/12
18.10.2020: „Der angestochene Lindwurm, der nicht ersterben wollte.“ Die Sinfonie, die das Publikum erschreckte, gilt heute als graue Maus – zu Unrecht: Beethoven Zweite – Mein Beethovenjahr 8/12
13.12.2020: War Beethovens Metronom in Reparatur? Das Rätsel um das teuflische Tempo im Schlusssatz von Beethovens Vierter – Mein Beethovenjahr 9/12
16.12.2020: Beethoven hätte das digitale Format seiner Geburtstagsfeier begrüßt. Wer die musikalische Form bis an ihre Grenzen ausdehnt, hätte auch Freude an Konzerten im Internet gehabt. – Mein Beethovenjahr 10/12
17.12.2020: Beethoven war nicht der Hero, den die Nachwelt aus ihm gemacht hat. Mehr zu Beethoven-Darstellungen zu seinen Sinfonien – Mein Beethovenjahr 11/12
20.12.2020: Da – da – da – daaaa! Das vielleicht bekannteste Motiv der Musikgeschichte erklang wenige Tage vor dem Weihnachtsfest 1808 zum ersten Mal: Beethovens Fünfte – Mein Beethovenjahr 12/12