
Wer war die Frau, die 1906 in Darmstadt geboren wurde, die nicht studieren durfte, weil der Vater fand, eine Frau brauche das nicht? Sie reiste im Alter von 20 Jahren nach Bologna, um dort Italienisch zu lernen. Mit 32 heiratete sie einen Freund ihres Vaters, der viele Jahre älter war als sie, und zog mit ihm nach Hamburg. Er war gut situiert und konnte ihr materiell offenbar manches bieten. Wurde sie zur Eheschließung genötigt, oder war es doch eine Liebesheirat? Hatte Milli Bau ein Kind? Ich habe es nicht herausgefunden.
Wie hieß der Mann? Stimmt es, dass die Ehe unglücklich war? Ich weiß es nicht. Jedenfalls reiste Milli mit einem Wissenschaftler nach Bolivien, beteiligte sich dort an einem dreijährigen Forschungsprojekt und trennte sich in dieser Zeit von ihrem Ehemann. Als der Mitte der 50er Jahre überraschend verstarb, war Milli Bau 49 Jahre. Für sie war es Zeit, ein anderes, ein neues Leben zu beginnen. Sie verkaufte alles, was sie hatte und ließ einen VW-Bus umbauen. Da sie bereits am 1. Januar 1956 eine Weltreise antreten wollte, das Serienmodell aber erst Mitte 1956 zum Verkauf stand, musste sie mit einem Prototyp vorlieb nehmen. Sie ließ das „Wohnmobil“ nach Beirut verschiffen und startete von dort eine mehrjährige Reise entlang der Seidenstraße.
Asien wurde ihre Leidenschaft. Bis 1974 lebte sie in vielen Ländern des größten Kontinents und arbeitete als Korrespondentin, als Reisejournalistin und als Schriftstellerin. Sie wohnte im Iran und lebte in Afghanistan, Pakistan, Russland, Syrien und wer weiß noch wo. 20 Jahre lang reiste sie allein. Warnungen und Ratschläge, dass das für eine Frau zu gefährlich sei, schlug sie in den Wind. Im Alter von 68 Jahren kehrte sie nach Darmstadt zurück, ohne aber das Reisen und das Schreiben ganz aufzugeben. Sie starb im hohen Alter von 99 Jahren in ihrer Heimatstadt.

Auf ihren Reisen führte sie Tagebücher und machte unzählige Fotos mit ihrer Rollei. Sie werden im Weltkulturenmuseum Frankfurt aufbewahrt. Milli Bau ist einer der 11 Räume gewidmet. Warum aber, so frage ich, ist außer einem Dutzend kleinformatiger Bilder und wenigen Schaukästen dort fast nichts ausgestellt? Sind die Tagebücher nicht ausgewertet? Eine Frau wirft die Fesseln ab, macht sich in den 1950er Jahren allein auf die Reise, kommt zurück in ihre Heimat und übergibt offenbar ihre Schätze einem Museum am Frankfurter Mainufer. Mit der Annahme dieser Schenkung (oder Leihgabe) – so finde ich – ist die Verpflichtung verbunden, das geistige Erbe zu archivieren, historisch einzuordnen und zumindest wichtige Teile davon der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wenn das geschehen ist, komme ich gerne wieder ins Weltkulturenmuseum. Vorher aber nicht.

https://www.weltkulturenmuseum.de/
https://www.darmstadt-stadtlexikon.de/b/bau-milli.html
https://conflictfood.com/conflictfood-gaertner-2/