Nikolaikirche Leipzig: Hier wurde vor 30 Jahren das Ende der SED-Herrschaft eingeläutet

Ohne den 9. Oktober 1989 hätte es den 9. November 1989 nicht gegeben. Die Demonstration genau einen Monat vor dem Mauerfall, die sich an das Friedensgebet in der Nikolaikirche in Leipzig anschloss, war nicht die größte in der Geschichte des Landes. Doch am Abend dieses Tages war die Macht des SED-Staates gebrochen. An den folgenden Montagen gingen in Leipzig immer mehr Menschen auf die Straße, um ein Ende des Staatssozialismus zu fordern. Neun Tage später erklärte Staatschef und SED-Generalsekreär Honecker seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen.

In der Mediathek des Deutschlandfunks sind eindrucksvolle Tondokumente aus den letzten Sitzungen des ZK der SED eingestellt. Wer diese Reden hört, reibt sich verwundert die Augen. Fast niemand, der das Wort ergriff, war sich darüber im Klaren, dass das Ende der 40-jährigen Herrschaft der Partei unvermeidlich war. Die Reden zeigen aber Ratlosigkeit und Verzweiflung über die Lage. Auch der damalige Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann sprach auf der Sitzung vom 18. Oktober. Sein Vorschlag aber konnte – wie bekannt – das Ende von SED und DDR nicht mehr aufhalten:

„Wir haben keine Minute mehr Zeit. Der Egon muss vor die Fernsehkamera, der Egon muss vor die Fernsehkamera. Es geht doch gar nicht um dich, Egon, sondern es geht darum: Jetzt muss die Partei das Wort ergreifen, heute Abend noch. (Applaus) … Uns steht das Wasser bis hierher. Wir stehen vor neuen gewaltigen Demonstrationen, die der Feind organisiert. Jetzt müssen die Kommunisten auf die Straße, in Leipzig muss die Partei an die Spitze. Wenn wir jetzt, wenn auch verspätet, uns nicht zu Wort melden, dann sind wir in der Gefahr, dass wir das Wort nicht mehr bekommen.“

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